
Das 1×1 des plyometrischen Trainings fürs Laufen

Plyometrisches Training ist ein wahrer Gamechanger fürs Laufen. Wenn du mit wenig Aufwand viel bewirken willst, dann dürfen plyometrische Übungen in deinem Trainingsplan auf keinen Fall fehlen. Aber was genau ist plyometrisches Training eigentlich, warum ist es fürs Laufen so wichtig und wie startest du damit? Das und mehr erfährst du in diesem Artikel.
Was ist plyometrisches Training genau?
Plyometrisches Training ist eine Trainingsform zur Verbesserung der schnellen Kraftenwicklung. Dieses Training nutzt den sogenannten Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus der Muskulatur. Es handelt sich um zwei Konzepte: eine Vordehnung eines Muskels (exzentrisch) und anschließend eine Gegenbewegung (konzentrisch), bei der sich der Muskel zusammenzieht.
Wenn wir es am Beispiel eines Hochsprungs betrachten, dann sieht das so aus:
- Exzentrisch: Beim Heruntergehen lassen wir uns nach unten sinken. Dabei werden unsere Oberschenkel- und Gesäßmuskeln länger. Wir spannen sie aber trotzdem an, um die Bewegung zu kontrollieren.
- Konzentrisch: Beim Hochspringen ziehen sich diese Muskeln wieder zusammen. Sie helfen uns dabei, nach oben zu springen.
Zwischen der Abwärts- und Aufwärtsbewegung gibt es eine kurze Zwischenphase – die Amortisationsphase. In dieser Phase wird Energie gespeichert, weil sich die Sehnen dehnen. Diese gespeicherte Energie hilft uns später beim Hochspringen.
Je kürzer diese Phase dauert, desto mehr Energie bleibt erhalten – und desto stärker fällt der Sprung aus.
Ein Beispiel dazu wäre Folgendes:
Wenn du schnell in die Hocke gehst und sofort wieder hochspringst, nutzt du die gespeicherte Energie gut aus. Wenn du aber unten zu lange wartest, geht diese Energie verloren und dein Sprung wird schwäche
Während der Amortisationsphase wirkt der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus auf zwei Arten:
1. Neurophysiologische Komponente:
Wenn sich der Muskel verlängert, dehnt er sogenannte Muskelspindeln – das sind spezielle Fasern im Muskel, die eine Dehnung wahrnehmen können (in meinem Video zu Muskelspindeln erkläre ich das genauer). Diese Spindeln senden ein Signal zurück an den eigentlichen Muskel (Agonist), damit er sich zusammenzieht.
2. Mechanische Komponente:
Bei schnellen Bewegungen wie Springen oder Sprinten dehnen wir nicht nur Muskeln, sondern auch Sehnen und Bindegewebe.
Diese Strukturen speichern mechanische Energie, ähnlich wie ein Gummiband. Beim Absprung geben sie die gespeicherte Energie wieder ab.
Diese Komponente läuft unabhängig vom Nervensystem ab: sie basiert allein auf den physikalischen Eigenschaften der Sehne: Dehnen und Zurückschnellen.
Was bringt plyometrisches Training fürs Laufen?
Fürs Laufen bietet plyometrisches Training unglaublich viele und oft unterschätzte Vorteile. Dazu gehören:
- Verbesserung der Laufökonomie: Durch stärkere, elastischere Sehnen und Muskeln wird weniger Energie pro Schritt verbraucht.
- Steigerung der Explosivkraft: Schnellere, kraftvollere Abdruckbewegungen beim Laufen, speziell bei Sprints und Tempoverschärfungen.
- Bessere Reaktivkraft: Schnellere Anpassung und Umsetzung von Bodenkontakt in Vortrieb („schneller Fuß“).
- Verkürzung der Bodenkontaktzeit: Kürzere Zeit beim Aufsetzen auf den Boden -> effizienterer Laufstil.
- Vorbeugung von Verletzungen: Gekräftigte Sehnen, Bänder, Knochen und Muskulatur können Belastungen besser abfangen und stabilisieren.
- Höhere Maximalkraft: Unterstützt sowohl Sprintleistung als auch die Kraftausdauer bei langen Distanzen.
- Bessere Stabilität und Koordination: Besonders wichtig bei unebenem Gelände (z.B. Trailrunning) und Richtungswechseln.
- Erhalt und Training der Muskelfasern Typ II (Fast Twitch Fasern)
Die Rolle von Schnellkraft beim Laufen
Für Langstreckenläufer:innen ist Schnellkraft-Training in den allermeisten Fällen eine Disziplin, die komplett vernachlässigt wird. Wenn du monoton stundenlang geradeaus läufst, dann trainiert das nicht besonders viel von deiner Schnellkraft. Das bedeutet, dass bestimmte Qualitäten im Laufe des Lebens verloren gehen. Häufig sehen wir auch, wie die Laufökonomie abnimmt und der Laufstil immer schlurfender wird und Muskulatur nach und nach weniger wird.
Gerade deshalb sollten Läufer:innen Schnellkraft trainieren! Tatsächlich bringt das eine Menge Vorteile wie zum Beispiel:
- eine schnelle und kraftvolle Abdruckphase
- kürzere Bodenkontaktzeit
- höhere Schrittfrequenz
- effizientere Kraftübertragung
- bessere Laufökonomie
- Endspurts auf deinem Wettkampf
Für wen ist plyometrisches Training geeignet?
Wenn du über ein Mindestmaß an Kraft und Bewegungskontrolle verfügst, kannst du auch mit deinen ersten plyometrischen Übungen als Läufer:in beginnen. Es ist wichtig, dass du bereits vertraut damit bist, Kraft einzusetzen und deinen Körper im Raum zu orientieren. Du benötigst eine gewisse Basis, diese muss allerdings nicht extrem sein, um erste plyometrische Übungen zu integrieren.
Meine Empfehlung ist zunächst einige Monate allgemeines Krafttraining zur Verbesserung deiner Kraft, Stabilität und Bewegungskontrolle und dann der Start mit einfachen plyometrischen Übungen.
Mein Trainingsplan Hybrid Starter begleitet dich über 20 Wochen Schritt für Schritt zum effektiven Krafttraining als Läufer:in und schafft hier die Basis. Hast du diese 20 Wochen durchlaufen, bist du bereit für den Plan Hybrid Performance 1.0, der dir dann die ersten plyometrischen Übungen zeigt.
Was sind typische plyometrische Übungen fürs Laufen?
Es gibt unheimlich viele plyometrische Übungen. Grundsätzlich musst du wie auch beim Krafttraining keine super speziellen Übungen für Läufer:innen auswählen, sondern profitierst im Anfangsstadium definitiv von allen erdenklichen plyometrischen Übungen.
Einige sehr gut geeignete plyometrische Übungen sind:
- Pogo Hops
- Drop Jumps
- Einbeinige Hüpfer
- Jumping Lunges
- Bounding (weites Überspringen der Schritte)
- Seitliche Hüpfer und Sprünge
- Skippings
- Weite und hohe Sprünge
In einer spannenden Studie wurden die Effekte von täglichem Hüpfen (Pogo Hops) auf die Laufökonomie untersucht und die Ergebnisse waren beeindruckend. Während der sechswöchigen Studie führte die Trainingsgruppe täglich 5 Minuten Sprungübungen mit beidbeinigem Hüpfen durch.
Um die Belastung schrittweise zu steigern, wurde die Anzahl der Hüpfdurchgänge (jeweils 10 Sekunden) kontinuierlich erhöht, während die Pausen zwischen den Sätzen verkürzt wurden. Das Ergebnis war eine Verbesserung der Laufökonomie (RE) bei hohen Laufgeschwindigkeiten bei Amateuren und kann daher als sinnvolles ergänzendes Trainingsprogramm betrachtet werden.
Extensive und intensive plyometrische Übungen
Wenn wir über plyometrisches Training sprechen, können wir in intensive und extensive Übungen unterteilen.
- Intensive Plyometrie umfasst maximale Sprünge oder Bounds mit der höchsten Intensität.
- Extensive Plyometrie dagegen beinhaltet submaximale Sprünge, die dazu dienen, Muskeln, Bänder und Sehnen schrittweise auf intensivere, maximale Sprünge vorzubereiten.
Beispiele für extensive plyometrische Übungen:
- Rhythmische, sprunghafte Bewegungen mit niedriger Intensität (z. B. kleine Hüpfer, Skippings, Hopser)
- Zufällige Sprünge nach oben/unten oder seitlich
Extensive Plyometrie bereitet deinen Körper darauf vor, sich in verschiedenen Richtungen zu bewegen. Außerdem hilft sie dabei, Muskeln, Bänder und Sehnen belastbarer für intensive plyometrische Übungen zu machen.
Da viele intensive Sprünge in einer einzigen Trainingseinheit das Verletzungsrisiko erhöhen können, ist es sinnvoll, dein Training mit mehr extensiven, vorbereitenden Sprüngen mit niedriger Intensität zu ergänzen.
Wie startest du mit plyometrischem Training als Läufer:in?
Zunächst einmal kommt hier eine harte Wahrheit: deine Kraft und Ausdauer sagen nichts über deine Fähigkeit aus, zu hüpfen und zu springen und Anpassungen durch plyometrisches Training gehen schnell verloren.
Wenn du in den letzten 3 Monaten kaum plyometrisch trainiert hast oder womöglich in deinem Erwachsenenleben nicht mehr gesprintet oder gehüpft bist, musst du wie ein:e absolute:r Anfänger:in mit deinem plyometrischen Training als Läufer:in starten.
Das zu akzeptieren gibt dir jedoch die beste Chance, im plyometrischen Training erfolgreich zu sein. Nämlich indem du genügend vorbereitende Übungen einbaust und nicht direkt mit vielen fortgeschrittenen, intensiven Plyos loslegst.
Als Anfänger:in sind submaximale, extensive Plyos wie Hüpfer, Sprungläufe, rhythmische Sprünge oder unterstützte Sprünge hilfreich, um die Elastizität deiner Strukturen wieder aufzubauen.
Wenn du gerade erst mit Plyos beginnst oder sie wieder in dein Training einführst, beginne mit folgenden Umfängen:
- 2-3x pro Woche
- 2–4 Sätze
- 20–30 Sekunden
- Fokus auf extensiven Plyos
- zusätzlich eine begrenzte Anzahl an maximalen Sprüngen
Plyometrische Übungen sollten immer frisch und erholt zu Beginn einer Einheit (nach dem Aufwärmen) erfolgen. Vermeide es, solches Training vorermüdet oder z.B. nach dem Laufen zu absolvieren.
Plyometrisches Training richtig steigern
Um plyometrisches Training richtig zu steigern, kannst du sowohl die Intensität deiner Übungen erschweren als auch mehr Bodenkontakte absolvieren.
Für extensive plyometrische Übungen kannst du folgenden „Fahrplan“ verwenden:
- Pogo Hops
- Bounding (weite Sprünge)
- Split Pogo Hops
- einbeinige Pogo Hops
- Weitere Steigerungen: z.B. mit Vorwärts-Bewegung oder nach rechts und links
Intensive plyometrische Übungen müssen noch langsamer aufgebaut werden. Da kannst du zum Beispiel so vorgehen:
- Snap Downs und Drop Freezes
Diese Übung eigenet sich, zu üben, Kräfte über die dreifache Beugung (Sprunggelenk, Knie, Hüfte) zu absorbieren. Sie stellt außerdem einen starken Reiz für die Knochendichte dar und bildet eine solide Grundlage. Später kannst du diese auch als einbeinige Variante absolvieren. - Box Jumps (Sprünge auf eine Kiste)
Die Kiste reduziert die Landebelastung, sodass du mehr Sprünge pro Einheit machen kannst, ohne Probleme mit der Patellasehne oder Achillessehne zu riskieren. Steigere dein Volumen mit diesen Sprüngen, bevor du zu einer großen Anzahl an vertikalen Sprüngen übergehst. - Vertikalsprung
Eine hervorragende Übung, um die vollständige dreifache Streckung (Hüfte, Knie, Sprunggelenk) zu erlernen. - Depth Jump (Tiefsprung)
Bei dieser Übung musst du den Schwung nach unten absorbieren und sofort umkehren – das macht sie zu einer anspruchsvollen Übung für fortgeschrittene Athlet:innen. Starte sinnvoll mit einer Absprunghöhe von ca. 30 cm und steigere dich langsam auf 60 cm oder mehr, sofern du die Belastung verkraftest und nicht zu lange Bodenkontaktzeit brauchst. - Depth Jump-Variationen (z. B. einbeinig, Depth Jump mit anschließendem Sprint, Depth Jump mit seitlichem Sprung)
Diese Varianten erfordern mehr Kontrolle und stellen eine fortgeschrittene plyometrische Progression dar.
Plyometrisches Training in der Saisonplanung
Wenn du plyometrisches Training in deine Saisonplanung als Läufer:in integrieren willst, dann kannst du natürlich gewisse Prioritäten setzen. Grundsätzlich solltest du verstehen, dass Plyos nie vollständig aus dem Training verschwinden sollten. Use it or loose it – wenn du sie plötzlich weglässt, werden auch deine Anpassungen verloren gehen. Du kannst jedoch mit der Art und dem Volumen deiner Plyos variieren.
In der Off-Season kannst du zunächst eine Basis mit primär extensiven plyometrischen Übungen schaffen. Mache 2-3 Einheiten pro Woche und setze auf insgesamt 60-200 Bodenkontakte.
In der Vorbereitungsphase (8-16 Wochen) vor deinem Wettkampftag kannst du diese intensivieren durch mehr Bodenkontakte und intensivere Plyos.
Nur in der spezifischen Wettkampfphase (6-8 Wochen) reduzierst du ein wenig das Volumen. Behalte die Intensität bei, damit diese nicht verloren geht, aber reduziere die Dauer oder die Bodenkontakte.
Im Tapering machst du nur noch ein absolutes Minimum.
Die häufigsten Fehler beim plyometrischen Training als Läufer:in
Beim plyometrsischen Training passieren nicht nur unter Läufer:innen immer wieder Fehler, die dich an deinem Fortschritt hindern oder sogar ein echtes Risiko darstellen. Einige der häufigsten Probleme beim plyometrischen Training habe ich hier für dich zusammengefasst:
1) Unzureichendes Aufwärmen
Wenn du dich nicht vernünftig vor dem plyometrischen Training aufwärmst, riskierst du Verletzungen an Muskeln, Sehnen und Gelenken. Insbesondere Zerrungen und Muskelfaserrisse stellen hier ein großes Risiko dar. Wärme dich daher vor jedem plyometrischen Training für 5-10 Minuten gründlich auf und bereite deine Muskulatur auf die Belastung vor.
2) Zu viele Sprünge
Beim plyometrischen Training gilt ganz klar: Qualität über Quantität. Es geht nicht darum, bis zur Ermüdung zu trainieren. Sobald deine Form sich verschlechtert, ist der Effekt durchs plyometrische Training nicht mehr gegegeben. Setze zu Beginn auf ein sehr geringes Volumen und steigere deine Bodenkontakte nur ganz langsam.
3) Unkontrollierte Ausführung
Führe plyometrisches Training stets unter voller Konzentration und mit Fokus aus. Mache dir bewusst, wie genau die Übung aussehen soll und welche Körperpartien du ansprechen willst. Steuere deine Sprunghöhe und -weite ganz bewusst und hüpfe nicht einfach nur wild und unkontrolliert herum.
4) Zu schwere Übungen
Wenn du noch nie plyometrisches Training gemacht hast, kannst du nicht mit einbeinigen Box Jumps auf eine 80cm Box starten. Das ist viel zu früh und intensiv. Damit riskierst du Verletzungen und Schlimmeres. Beginne mit extensiven Plyos wie einigen Hüpfern und Sprüngen auf der Stelle, bevor du so schwere Übungen allmählich aufbaust.
5) Zu kurze Pausenzeiten
Die Pausenzeiten beim plyometrischen Training sind essentiell. Je nachdem, ob du eher intensive oder extensive Plyos machst und wie fordernd diese für dich sind, sollten die Pausen zwischen 30 Sekunden und mehreren Minuten liegen. Wenn du einzelne Sprünge nahe an deiner Maximalkraft machst, brauchst du wirklich 5 Minuten, um wieder voll leistungsfähig zu sein. Es geht nicht darum, außer Atem oder sehr angestrengt zu sein.
6) Vorermüdung
Plyometrisches Training hat nichts im Anschluss an ein hartes Krafttraining oder einen Lauf zu suchen. Es sollte stets erholt und frisch absolviert werden. Der richtige Zeitpunkt ist nach dem Aufwärmen vor dem weiteren Training. In meinen Trainingsplänen integriere ich diese Übungen gerne zwischen die Warm Up Sätze der Grundübungen beim Krafttraining oder an den Beginn von intensiven Intervalltrainings.
Fazit – Plyometrisches Training fürs Laufen
Plyometrisches Training ist ein unverzichtbarer Bestandteil für alle Läufer:innen, die nicht nur schneller, sondern auch effizienter und verletzungsresistenter unterwegs sein wollen.
Es verbessert die Laufökonomie, steigert die Schnellkraft und schützt vor Überlastungen – und das mit vergleichsweise geringem zeitlichem Aufwand.
Entscheidend ist ein strukturierter Einstieg, eine schrittweise Steigerung und die Vermeidung typischer Fehler.
Wer langfristig dranbleibt und die richtigen Reize setzt, wird die Wirkung auf Leistung und Laufgefühl deutlich spüren.