Come Back Stronger – Das Leben nach Laufverletzung

Come Back Stronger nach der Laufverletzung - so klappt der Wiedereinstieg und die Reha

Eine Laufverletzung kann jede:n Läufer:in treffen. Laufverletzungen passieren bei Anfänger:innen ungefähr alle 56 Stunden und bei Fortgeschrittenen alle 130 Trainingsstunden. Das entspricht 7.7 Verletzungen auf 1000 Stunden für fortgeschrittene Läufer:innen und 17.8 Verletzungen auf 1000 Stunden für Anfänger:innen. Tatsächlich ist das ein sehr hohes Risiko und vergleichbar mit einigen Kontaktsportarten. Doch die Natur der Verletzungen ist bei Läufer:innen häufig eine andere.

In diesem Beitrag erfährst du:

Meine persönliche Verletzungsgeschichte

Meine eigene Verletzungsgeschichte begann schon in dem Jahr, in dem ich ernsthafter versucht habe zu laufen. Damals war ich noch relativ planlos und lief einfach los: In jeder Einheit so weit und so schnell wie ich konnte. Ich machte auch kein Ausgleichstraining und generell war mein „Training“ sehr willkürlich und strukturlos. Manchmal bin ich wochenlang nicht gelaufen, dann plötzlich jeden Tag. Die Folge war ein sehr schmerzhaftes ITBS, also ein Tractus Iliotibialis Syndrom. Tatsächlich war genau dieses „Läuferknie“ der Grund für mich, mit dem progressiven Krafttraining im Fitnessstudio zu beginnen. Und von da an nahm mein gesamter beruflicher Werdegang seinen Lauf.

Doch zurück zu den Verletzungen: Über die Jahre habe ich viele Erfahrungen mit Laufverletzungen gesammelt. Zunächst nur persönlich mit meinem eigenen Körper und den Folgen von Übertraining und RED-S. Später dann auch regelmäßig mit Coachees und Klient:inneen in meiner Arbeit als Lauftrainerin, Physiotherapeutin und Hybrid Fitness Coach.

Die Verletzungen, die ich selbst schon durchgemacht habe, waren unzählig. Vor Allem, weil ich es zu Beginn nicht besser wusste oder es besser wusste, aber einfach nicht das Wissen angewendet habe. Die ersten 2 Jahre meiner Läuferinnenkarriere waren darum durchwachsen und geprägt von:

  • Shin Splints
  • Achillodynie
  • Ermüdungsbruch im Mittelfuß
  • Gluteale Tendinopathie und Bursitis

Über die Jahre kamen dann drei Bandscheibenvorfälle (die nichts primär mit Laufen zu tun haben, aber dazu gibt es an anderer Stelle mehr) und eine Schulterluxation dazu.

Doch die gute Nachricht ist: Nach Jahren der Verletzungen bin ich inzwischen wieder voll belastbar, laufe Bestzeiten und toleriere mehrere intensive EInheiten bei 70+ Wochenkilometern pro Woche!

Training nach einer Pause – das sind die häufigsten Fehler beim Wiedereinstieg

Wenn du verletzt warst und den Wiedereinstieg meistern willst, ist das eine sehr kritische Phase. Genau diese Phase entscheidet darüber, wie schnell du wieder fit sein wirst und wie belastbar dein verletztes Gewebe langfristig wird.

Darum lohnt es sich, einen Blick auf die häufigsten Fehler in dieser Situation zu werfen:

  • Du steigst direkt wieder bei deinem gewohnten Trainingsvolumen ein.
  • Geh-Intervalle und Walking sind in deinen Augen nur etwas für Anfänger:innen und nichts für dich.
  • Beim Krafttraining nutzt du genau die Gewichte, die du schon vorher verwendet hast, ohne Rücksicht auf Verluste.
  • Oder du unterforderst dich notorisch beim Krafttraining und bleibst immer weit entfernt vom Muskelversagen und einem effektiven Reiz.
  • Du trainierst nur mit deinem eigenen Körpergewicht, um die Reha zu begleiten.
  • Dein Krafttraining entspricht eher einer Bodybuilding-Routine als Athletiktraining.
  • Plyometrie vermeidest du auch gegen Ende der Reha aus Angst, dich zu verletzen.
  • Schmerzen ignorierst du vollständig.
  • …oder überdramatisierst sie und hast so große Angst davor, dass du keine Reize setzt.

Verletzungsgeschichten aus meiner Arbeit mit Coachees – Triff Anna

Anna (ich habe ihren Namen geändert, weil ich sie nicht gefragt habe, ob ich über sie sprechen darf) ist Anfang des Jahres zu mir ins Coaching gekommen mit einer wirklich langen Verletzungsodyssee. Ehrlicherweise hat sie mich ein bisschen an mich selbst vor 10 Jahren erinnert, weil sie wirklich eine Menge „Baustellen“ hatte. Sie war davon überzeugt, dass sie womöglich einfach nicht fürs Laufen gemacht war und es ihr nicht gegeben war, jemals wieder fit zu sein und ambitioniert auf Halbmarathon und Marathon zu trainieren.

Das Krasse war: Wir haben ihr Training umgestellt, Rest Days eingeplant, die täglichen Kalorien und insbesondere Kohlenhydrate hochgefahren und das Krafttraining mehr auf das Laufen abgestimmt und innerhalb von sechs Wochen nach ihrem Laufeinstieg ist sie wieder ihren ersten Halbmarathon nach den Verletzungen gelaufen. Der war noch als „Run:Walk“ gedacht und es gab danach auch für ein paar Wochen eine leichte Symptomverstärkung, aber die war im Rahmen. So konnten wir weitermachen und wenige Monate später dann den ersten HM wieder richtig angehen. Da hat sie nur noch an ein paar Verpflegungsstationen Gehpausen gemacht und ist vor allem schmerzfrei! Sie hat das so gut vertragen, kann wieder richtig gut trainieren und vor Allem hat sich auch ihre Beziehung zu ihrem Körper und ihrem Training massiv verbessert.

Dieser ganze Prozess läuft jetzt ca. 6 Monate und ich bin unglaublich gespannt, wo die Reise noch in den nächsten 1-2 Jahren gehen wird.

COME BACK STRONGER - Das Leben nach Laufverletzung

Grundlagen für deine Reha: So schaffst du den Wiedereinstieg nach Laufverletzung

Du willst das auch? Endlich wieder schmerzfrei laufen und deine Reha wirklich nach einer Laufverletzung angehen? Dann lass und das gemeinsam planen und lies unbedingt die nächsten Abschnitte!

Wann bist du „trainingsbereit“ nach einer Laufverletzung?

Bevor ich dir diese Frage beantworte, muss ich sie zunächst einmal in zwei Teile zerlegen:

  • Wann bist du „trainingsbereit“?
  • Und: Wann bist du „laufbereit“?

Das sind nämlich bei den allermeisten Laufverletzungen zwei Paar (Lauf-)Schuhe.

Bei den meisten Laufverletzungen bist du sofort in irgendeiner Weise trainingsbereit. Das bedeutet, dass du normalerweise sofort auch drumherum trainieren kannst, Crosstraining machen kannst oder sogar mit leichten Übungen beginnen kannst. Bei einer akuten Verletzung kann es unter Umständen sinnvoll sein, zunächst ein paar Tage zu pausieren und je nachdem, ob du dich insgesamt in einem Zustand von Unterversorgung und zu viel Training befindest, kann es hier auch mal gerechtfertigt sein, für ein bis zwei Wochen komplett auf Sport zu verzichten.

Grundsätzlich beginnt deine Reha aber sofort. Natürlich angepasst an deine Verletzung und deine Schmerzen. Du willst so viel wie möglich von deiner Fitness erhalten in dieser Phase und so schnell wie möglich belastbarer werden. Manchmal muss man hier ein wenig kreativ werden.

Wann du wieder laufbereit bist, richtet sich nach der Art deiner Laufverletzung und deiner Symptome und oftmals auch danach, wie lange du diese Verletzung schon ignoriert hast. Die Reha kann z.B. bei einer schnell erkannten Achillesssehnenreizung einige Tage oder Wochen dauern und in schweren Fällen, die du jahrelang ignoriert hast, auch Monate oder sogar ein Jahr.

Exakte Tests gibt es nicht, aber Annäherungen. Wenn du beispielsweise nicht auf einem Bein stehen, nicht schmerzfrei gehen, locker auf der Stelle hüpfen oder einbeinig Fersenheben kannst, würde ich wahrscheinlich noch nicht mit einem Laufeinstieg starten.

So findest du den richtigen Zeitpunkt für deinen Wiedereinstieg nach Laufverletzung

Wenn du für dich selbst besser einschätzen willst, ob du bereit bist für deinen Wiedereinstieg ins Lauftraining nach Verletzung, helfen dir möglicherweise folgende Fragen:

  • Wenn es sich um Verletzung des Knochens handelt: hast du mindestens 6-8 Wochen komplett pausiert und entlastet?
  • Ist dein Schmerzniveau in Ruhe und bei Belastung nicht über 2/10 auf der Schmerzskala?
  • Kannst du ohne starke Schmerzauslösung gehen, locker auf der Stelle hüpfen und einbeinig Fersenheben?
  • Fühlst du dich stabil?
  • Wie entwickelt sich der Schmerz bei Belastung und in den 24 Stunden danach?

Ich arbeite in diesem ganzen Prozess immer gerne mit der Schmerzskala. Dafür findest du auch eine detaillierte Beschreibung hier in diesem Artikel zur Schmerzskala.

Der erste Trainingstag nach Laufverletzung

Wenn du das erste Mal nach deiner Laufverletzung wieder laufen willst, dann hast du bis dahin hoffentlich schon Einiges an Krafttraining gemacht und die ersten dynamischeren und schnelleren Übungen integriert und warst vielleicht sogar schon walken.

Dann arbeite ich gerne mit einem ersten Versuch, der noch sehr niedrigschwellig angesetzt ist. Das kann zum Beispiel folgendermaßen aussehen:

  • 10 Minuten aufwärmen („Prehab“-Übungen, Mobility, Walken)
  • 6×1 Min Laufen mit jeweils 3 Minuten Gehen
  • 5-10 Minuten Cool Down

Danach beobachtest du die Schmerzentwicklung für 24 Stunden und ziehst ein Resümee. Du hast dann verschiedene Möglichkeiten für deine nächsten Trainingseinheiten:

  • Hattest du gar keine Schmerzauslösung, kannst du die Anzahl oder Dauer der Laufintervalle leicht erhöhen.
  • Haben sich die Schmerzen währenddessen oder danach ein wenig verstärkt (bis maximal 2-3/10), aber sind innerhalb von 24 Stunden wieder auf das „Grundlevel“ zurückgekehrt, kannst du die gleiche Einheit nochmal wiederholen.
  • Hattest du eine deutliche Verstärkung, die stärker war oder länger anhielt, kehrst du zurück zum vorigen Schritt, also z.B. Walken oder Krafttraining.

Die wichtigsten Trainingsprinzipien für deinen Wiedereinstieg nach Laufverletzung

Reha ist Training.

Wenn du nach einer Laufverletzung wieder fit werden willst, musst du grundlegend einige Prinzipien verstehen.

Bis heute schüttele ich immer wieder den Kopf darüber, dass dieser Anteil meiner Ausbildung als Physiotherapeutin gerade mal 40 Stunden ausgemacht hat.

Doch zum Glück habe ich mich fortgebildet und kann dir heute die wichtigsten Grundlagen mitgeben.

  • Belastungssteigerung: Steigere deine Belastung nicht zu schnell. Es gibt die 10% Regel, doch diese finde ich etwas unpassend, außer wenn wir von Long Runs sprechen. Behalte hier eher dein Schmerzlevel im Blick und erhöhe immer dann, wenn deine Schmerzen es tolerieren.
  • Frequenz: Erhöhe erst die Frequenz und dann die Dauer und das Volumen deiner Einheiten. Wenn du eine weitere Einheit aufnimmst, teile das Gesamtvolumen deiner Woche auf die neue Anzahl der Einheiten auf.
  • Technik: Die passende Technik für dein Krafttraining und möglicherweise auch das Laufen ist essentiell, um die „richtigen“ Muskelgruppen anzusprechen
  • Intensität: Mache deine Reha-Übungen in der richtigen Intensität. Sie sollten im Laufe der Reha wirklich fordernd werden, damit sie einen Reiz setzen.
  • Bewegungsqualität: Beachte Ausweichbewegungen, Hinken und co und arbeite aktiv daran, diese zu reduzieren.

Mythen rund um Reha und Training nach einer Laufverletzung, die endlich aufhören müssen

Beim Wiedereinstieg nach einer Laufverletzung kursieren viele hartnäckige Annahmen, die den Heilungsprozess eher behindern als fördern. Hier kommen einige Mythen, die unbedingt aufhören müssen.

1. Schmerz bedeutet automatisch, dass etwas falsch läuft

Leichte Beschwerden sind oft ein Zeichen von Anpassung, nicht von Schaden. Entscheidend ist, wie sich der Schmerz verhält: Wenn er während oder nach dem Training abnimmt und nicht von Einheit zu Einheit stärker wird, ist die Belastung in der Regel im grünen Bereich.

2. Laufen erst wieder, wenn man völlig schmerzfrei ist

Komplette Schmerzfreiheit ist nicht immer Voraussetzung für den Wiedereinstieg. In vielen Reha-Konzepten ist eine moderate, gut kontrollierte Belastung erlaubt, solange es sich nicht um Knochenbrüche handelt. Sie kann die Heilung sogar fördern, solange die Beschwerden nicht zunehmen.

3. Pausieren genügt, damit alles von selbst heilt

Reine Schonung führt selten zur vollständigen Genesung.

Muskeln, Sehnen und Knochen benötigen gezielte, dosierte Reize, um sich wieder zu stabilisieren. Ohne Aktivierung verliert das Gewebe an Belastbarkeit.

4. Krafttraining macht Läufer langsam oder „schwer“

Das Gegenteil ist der Fall: Regelmäßiges Krafttraining verbessert Laufökonomie, Stabilität und Belastungstoleranz. Es zählt heute zu den wichtigsten Maßnahmen zur Verletzungsprävention und sollte fester Bestandteil jeder Reha sein.

5. Wer schnell wieder einsteigt, ist schneller fit

Ein zu früher oder zu intensiver Wiedereinstieg ist der häufigste Grund für Rückfälle. Geduld im Aufbau zahlt sich langfristig aus. Wenn du sorgfältig steigerst, kehrst du stabiler zurück.

6. Nur der Körper muss heilen, der Kopf zieht automatisch mit

Emotionale Faktoren wie Frustration, Angst oder Ungeduld wirken direkt auf den Heilungsverlauf. Mentale Strategien, Achtsamkeit und Selbstmitgefühl sind daher Teil der Genesung.

7. Reha ist kein richtiges Training

Rehabilitation ist Training. Nur mit verändertem Fokus. Jede Mobilitäts-, Kraft- und Koordinationsübung ist ein aktiver Schritt zurück zur Belastbarkeit. Wenn du Reha so betrachtest, bleibst du motivierter und konsequenter.

8. Dehnen verhindert Verletzungen und beschleunigt Heilung

Statisches Dehnen allein schützt nicht zuverlässig vor Verletzungen und kann in der Reha sogar kontraproduktiv sein. Wichtiger ist eine Kombination aus kontrollierter Bewegung, Kraft und Mobilität.

Die größten Mythen rund um Laufverletzungen, die du nicht mehr glauben solltest

Mentale & Emotionale Aspekte einer Laufverletzung

Tatsächlich ist die Psyche einer der beeindruckendsten Aspekte bei dem Wiedereinstieg nach einer Laufverletzung. Sie ist der Dreh- und Angelpunkt für viele Läufer:innen und kann auf so viele unterschiedliche Arten und Weisen deinen Fortschritt extrem unterstützen oder massiv behindern.

Ein paar Dinge, auf die wir in dieser Phase achten dürfen und um die wir uns kümmern sollten, sind die Folgenden:

Angst vor Schmerzen und neuer Verletzung

Angst ist für viele Läufer:innen ein stetiger Begleiter nach einer Laufverletzung. Manchmal so sehr, dass sie dich hemmt, deine Reha erfolgreich zu absolvieren oder jemals wieder 100% belastbar zu werden. In meiner Arbeit mit Coachees spreche ich über diese Angst, erkunde mit ihnen gemeinsam die Funktion und wir arbeiten daran, sie nicht nur als etwas Negatives zu betrachen. Die Angst ist ein guter Wegweiser, aber wir wollen gleichzeitig in einem vernünftigen Rahmen wieder Belastbarkeit und Vertrauen zum eigenen Körper aufbauen.

Als Trainerin oder Coach helfe ich dir in dieser Phase dabei, ein vernünftige Maß zu finden und deine Angst in einem solchen Rahmen herauszufordern, dass du dir körperlich nicht schadest. Wir reden offen darüber und schauen, ob es ggf. Tools aus der Verhaltenstherapie oder dem Life Coaching gibt, die dir helfen oder ob das ein Thema für eine:n Psycholog:in ist.

Fehlende Coping-Strategien

Für viele Läufer:innen ist Laufen die einzige Coping-Strategie und Möglichkeit zur emotionalen Regulation, die sie kennen. Das kann mitunter ziemlich krass werden, wenn du eine Laufverletzung erlebst und dieser Mechanismus wegfällt. Teilweise können da richtig starke Symptome auftreten, die in manchen Fällen auch psychologische Begleitung erfordern.

Ich lade in dieser Zeit meine Coachees immer dazu ein, neue Wege zum Stressmanagement und zur emotionalen Regulation zu erforschen und diese Laufverletzung als Anlass zu nehmen, das eigene „Tool-Set“ nochmal aufzubauen. An dieser Stelle findest du zum Beispiel eine große Reihe an Impulsen zu den verschiedenen Stressarten und wie du ihnen entgegenwirken kannsst.

Identität

Wenn deine Identität ist „Ich bin Läufer:in“, dann fällt plötzlich ein riesiger Anteil deines Daseins weg, wenn du eine Laufverletzung hast.

Hier wird es spannend und wichtig, zum Beispiel die eigenen Werte zu erkunden und zu entdecken, was deine Identität ist, wenn du nicht läufst. Auch hier sehe ich eine riesige Chance drinnen, dich nochmal intensiver mit deiner Psyche und deinem Sein auseinanderzusetzen.

Depressive Verstimmungen

Auch depressive Verstimmungen und sogar richtige Depressionen können durch eine Laufverletzung auftreten. Hier kommt es dann auf die Geschichte der Läuferin oder des Läufers an, wie wir damit umgehen und ob professionelle Hilfe zusätzlich in Anspruch genommen werden sollte.

Ungeduld

Natürlich kommen viele Läufer:innen auch an einen Punkt der Ungeduld, wenn der ganze Prozess nicht schnell genug geht. Hier finde ich es wichtig, von Tag zu Tag die Situation zu betrachten und nicht zu weit im Voraus zu planen. Dokumentiere jede Trainingseinheit und deine Fortschritte. Wenn du beispielsweise das gleiche Schmerzniveau hast, aber mehr Gewicht heben, länger laufen oder schneller laufen kannst, dann ist das eine Verbesserung!

Der Umgang mit Rückfällen nach einer Laufverletzung

Rückfälle gehören zu dem Prozess einer Laufverletzung dazu. Du wirst in der Reha auch mal eine Schmerzverstärkung haben und musst fast immer auch an einem Punkt nochmal einen oder zwei Schritte zurückgehen. Das ist normal und zu erwarten.

Wichtig ist hier herauszufinden, ob du einen richtigen „Rückfall“ oder eine ganz normale Reaktion auf das Training hast.

Grundsätzlich gilt als Orientierung immer der Zeitraum während des Trainings und in den 24 Stunden danach:

  • Hattest du gar keine Schmerzauslösung, kannst du leicht erhöhen.
  • Haben sich die Schmerzen währenddessen oder danach ein wenig verstärkt (bis maximal 2-3/10), aber sind innerhalb von 24 Stunden wieder auf das „Grundlevel“ zurückgekehrt, kannst du die gleiche Einheit nochmal wiederholen.
  • Hattest du eine deutliche Verstärkung, die stärker war oder länger anhielt, kehrst du zurück zum vorigen Schritt.
  • Bei sehr plötzlichen, einschießenden oder starken Schmerzen unterbrichst du die Aktivität sofort und holst dir ärztliche oder physiotherapeutische Hilfe.

Typische Warnzeichen, die Läufer:innen oft übersehen

  • Schmerzen, die immer an derselben Stelle auftauchen (auch leicht)
  • Morgendliche Steifigkeit oder Anlaufschmerz
  • Schmerz beim Gehen nach dem Lauf
  • Erhöhte Reizbarkeit oder Schlafprobleme als Zeichen systemischer Überlastung

Du kannst hier auch mit einem Ampelsystem arbeiten, wie ich es gerne für den Umgang mit chronischen Beschwerden oder auch intensiven Lebensphasen wie z.B. der Perimenopause nutze:

🟢 Grün: leicht ziehend, aber läuft rund → Du kannst weitermachen, aber achtsam bleiben.

🟡 Gelb: deutlicher Schmerz an einer bekannten Problemstelle → Tempo reduzieren, kürzer laufen und beobachten

🔴 Rot: stechender Schmerz, Schwellung, oder du musst den Lauf abbrechen → sofort Pause, ggf. Ärztin/Physio checken lassen.

Die besten TIpps für dein Comeback nach Laufverletzung

Langfristige Perspektive & Prävention nach einer Laufverletzung

Nach einer Laufverletzung wird es irgendwann auch wieder Zeit für eine längerfristige Perspektive und Prävention. Natürlich stellst du dir die Frage: „Wie kann ich eine Laufverletzung in Zukunft vermeiden?“. Wahrscheinlich möchtest du nach einer solchen Erfahrung, dass das nie wieder passiert.

So vermeidest du eine erneute Laufverletzung

Die schlechte Nachricht kommt vorab:

Es gibt nie eine Garantie, dass du dich nicht wieder verletzen wirst.

Im Gegenteil glaube ich, dass es ganz unweigerlich dazu gehört, dass du auch mal wieder Schmerzen haben wirst oder sogar eine Verletzung hast. Wenn du hart trainierst, befindest du dich immer in einer Risikozone. Aber natürlich kann man diese Risikozone gefährlicher oder vernünftiger gestalten, wofür ich persönlich natürlich immer plädiere.

Wenn du also dein Risiko minimieren willst, achte auf die folgenden Dinge:

  • Laufe deine lockeren Läufe locker.
  • Versuche nur in gezielten und geplanten Läufen eine neue Bestzeit zu knacken oder einen neuen Streckenrekord – nicht in jeder einzelnen Einheit.
  • Steigere dich moderat in deinen Laufumfängen und Intensitäten. Insbesondere bei den Long Runs solltest du maximal 10% draufpacken.
  • Beziehe deine Lebens-Faktoren wie z.B. Stress, Schlafmangel, unzureichende Ernährung, Alltagsaktivität, Schuhwerk im Alltag, Sitzpositionen in deine Planung und dein Training ein.
  • Passe dein Training an emotionalen und beruflichen Stress an.
  • Höre auf, dich für irgendein Event anzumelden, weil es gut klingt. Melde dich dann dafür an, wenn du die Fitness dafür hast oder du weißt, dass du damit leben könntest, nicht teilzunehmen oder deine Erwartungen zu managen.
  • Nimm beginnende Schmerzen und starke Erschöpfungszustände oder Zyklusstörungen ernst. Das sind wichtige Anzeichen, wenn du dich nicht wieder verletzen willst.
  • Vermeide parallel zu einem intensiven Trainingsblock eine strenge Diät und iss ausreichend Kohlenhydrate. Andernfalls steigen insbesondere deine Chancen auf eine Stressfraktur enorm. 
  • Trage Schuhe, die zu dir passen. Gehe nach Gefühl und weniger danach, was dir die Verkäuferin im Laufschuhladen empfiehlt. 
  • Mach’ beständig und intensives Krafttraining.
  • Mach’ regelmäßig Rest Days und Regenerationswochen.

Die Regeneration als Schlüssel für dein Verletzungsmanagement

Nicht nur nach einer Laufverletzung, sondern auch für die Reha dieser ist die passende Regeneration essentiell.

Stress ist Stress.

Du kannst von deinem Körper keine guten Anpassungen erwarten, wenn du in einem dauerhaften Überlebensmodus bist.

Achte auf deinen Schlaf, eine ausreichende Ernährung deine Kalorienzufuhr und arbeite daran, langfristig deinen Stress zu managen.

Wenn dein Körper nicht so will wie dein Kopf

Nach einer Laufverletzung oder während der Phase deiner Reha wirst du immer wieder in Situationen geraten, in denen dein Körper nicht so will wie dein Kopf. Das wird passieren. Das ist ein Teil des Prozess.

Doch wie gehst du dann damit um?

An dieser Stelle wird es wichtig, auf andere Tools zurückzugreifen. Ein paar davon stelle ich dir hier vor.

Fokus auf Funktionalität des Körpers in anderen Bereichen

Zu lernen, dich auf die Funktionalität deines Körpers auch außerhalb des Trainings und der Schmerzen zu fokussieren kann zu deiner langfristigen Zufriedenheit beitragen. Dabei steht im Vordergrund, zunächst Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, was dein Körper jeden Tag leistet und dir ermöglicht.

Bei der Funktionalität deines Körpers geht es nicht nur um große sportliche Leistungen wie z.B. eine neue PR beim Gewichtheben oder einen Marathon zu finishen. Vielmehr darfst du beginnen, deinen Fokus auf alltägliche „Kleinigkeiten“ zu lenken, die wir oft gar nicht so bewusst wahrnehmen:

  • Innere Prozesse (z. B. Heilung von einer Erkältung, Verdauung)
  • Körperliche Fähigkeiten (z. B. Gehen, Dehnen, Laufen)
  • Körperliche Sinne und Empfindungen (z. B. Sehen, Freude erleben, Tiere streicheln, Gerüche)
  • Kreative Tätigkeiten (z. B. Malen, Singen)
  • Kommunikation mit anderen (z. B. über Körpersprache, Blickkontakt)
  • Selbstfürsorge (z. B. Schlafen, Duschen)

Dankbarkeit

Wenn du erstmal einige Dinge wahrgenommen hast, kannst du versuchen, dafür die Dankbarkeit zu spüren und diese in deinen Alltag bewusster zu integrieren. Wann immer du etwas Schönes erlebst oder tust, kannst du in dich hineinfühlen und deinem Körper innerlich dafür danken, dass er oder sie dir das ermöglicht.

Grundlegende Selbstfürsorge

Wie du deinen eigenen Körper wahrnimmst und wie frustriert du damit bist, wird auch davon beeinflusst, wie du dich verhältst und wie du mit dir selbst umgehst. Behandle darum deinen Körper besser und freundlicher im Alltag.

Eine unglaublich wichtige Basis dafür ist die tägliche Selbstfürsorge für deine Grundbedürfnisse:

  • Schlaf
  • Bewegung und Training
  • Regelmäßige und ausgewogene Mahlzeit
  • Stressmanagement

Bevor du diese Bereiche nicht bewusst adressierst, kannst du nicht erwarten, dich in deinem Körper gut oder okey zu fühlen.

RAIN zur emotionalen Regulation

Das RAIN-Modell ist eine einfache, achtsame Methode zur Emotionsregulation. Das ist besonders hilfreich bei Frust, Schmerz oder Angst. Es steht für vier Schritte:

  • R – Recognize (Erkennen)
    • Erkenne ehrlich, was du gerade fühlst.
    • Beispiel: „Ich bin frustriert und enttäuscht.“
  • A – Allow (Zulassen)
    • Lass das Gefühl da sein, ohne es sofort wegzudrücken oder zu bewerten.
    • Beispiel: „Es ist okay, dass ich mich so fühle.“
  • I – Investigate (Erkunden)
    • Erforsche neugierig, wo du das Gefühl spürst (z. B. im Körper, Gedanken).
    • Frage: „Was braucht dieser Teil von mir gerade?“
  • N – Nurture (Nähren)
    • Beantworte das Gefühl mit Freundlichkeit und Mitgefühl.
    • Beispiel: „Ich tue mein Bestes. Heilung braucht Zeit.“

Erkennen – Zulassen – Erkunden – Nähren. Das ist eine kleine Pause für den Kopf, wenn Emotionen stark werden.

Körper-Geist-Verbindung unterstützen

Ein weiterer Punkt, der dir helfen wird, ist die Verbindung zwischen Körper und Geist zu verbessern und zu stärken. Tatsächlich hilft bereits die Achtsamkeit aus Punkt 1 dabei. Doch es gibt noch weitere Techniken und Strategien, die das unterstützen:

  • Bodyscan-Meditationen
  • Yoga
  • Somatische Praktiken
  • Achtsamkeits-Praktiken

Für Bodyscan-Meditationen gibt es tolle Anleitungen aus der MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction). Diese kannst du mehrmals wöchentlich oder langfristig sogar täglich machen. Auch kannst du mit deiner Atmung arbeiten. Dabei funktionieren gleichermaßen klassische Atemmeditationen, aber auch bewusste Atemübungen.

Somatische Praktiken sind für viele Menschen noch deutlich unbekannter und fremder. Ein schönes Beispiel für deine erste somatische Praxis für ein besseres Körperbild möchte ich dir hier vorstellen.

  • Schließe deine Augen.
  • Nimm 3 tiefe Atemzüge.
  • Denke nun an einen Körperpart, den du nicht so sehr magst.
  • Lege deine Hand darauf.
  • Atme Freundlichkeit in deine Hand, wenn du einatmest.
  • Sage beim Ausatmen: Danke, dass du Teil meines Körpers bist und mich am Leben hältst.

Solche Praktiken können erstmal ungewohnt sein und vielleicht einen kleinen Widerstand auslösen. Beginne am besten nicht mit dem Teil deines Körpers, mit dem du die schwierigste Beziehung überhaupt hast. Vielleicht kannst du auch erstmal mit einem Bereich starten, der für dich neutral oder sogar positiv ist, um die inneren Widerstände zu reduzieren.

Gut zu wissen: Es gibt einige Dinge, die dieser Körper-Geist-Verbindung schaden. Manche davon kannst du beeinflussen, andere leider weniger. Dazu gehören:

  • Diäten
  • Chronische Schmerzen/Krankheiten
  • Selbst-Objektivierung
  • „Body Checking“, also den eigenen Körper kritisch im Spiegel oder in der Kleidung betrachten
  • Stress

Setze auf zwischenmenschliche Verbindungen

Verbindungen zu anderen Menschen stärken auch die Verbindung zu dir selbst.

Natürlich kommt es dabei auch auf die Qualität und Tiefe der Verbindungen an. Wenn deine sozialen Kontakte sich primär über Diäten, Leistung, Körperformen, Marathon und andere leistungsbezogenen oder oberflächlichen Themen austauschen, kann das natürlich noch negativer werden.

Verändere deinen Social Media Feed

Die Inhalte, die du täglich auf Social Media konsumierst, beeinflussen auch deine Selbstwahrnehmung und dein Verhalten und können dazu beitragen, ob du eher gefrustet und enttäusch bist.

Wenn dein Social Media Feed ausschließlich aus blonden dünnen Fitnessmodels besteht, die die meiste Zeit ihren großen Hintern in die Kamera halten oder aus perfekten Läufer:innen, die sich gefühlt noch nie in ihrem Leben verletzt haben und jeden easy Run in einer 4:00 min/km Pace rennen, dann ist es kein Wunder, dass du dich schlechter fühlst.

Doch zum Glück kannst du daran aktiv arbeiten und deinen Social Media Feed verändern:

  • Setze auf Diversität – folge Personen mit unterschiedlichen Körpertypen, Geschlechtern, Ethnien, Themen und Philosophien.
  • Schränke Inhalte ein, die sich negativ auf dich auswirken. Gib‘ Instagram jedes Mal dieses Feedback, wenn du einen Beitrag siehst, den du nicht sehen möchtest.
  • Schränke Begriffe ein, die dir nicht gut tun und blockiere Personen, die dir schaden.
  • Nutze Social Media aktiv und nicht nur passiv. Achte darauf, welche Art von Inhalten du teilst und was deine Intentionen dabei sind.
  • Vermeide Inhalte, die sich ausschließlich um Oberflächlichkeiten und Körperformen drehen.

Fazit – Come Back Stronger nach einer Laufverletzung

Eine Laufverletzung ist nie nur ein körperliches Ereignis.

Sie betrifft den ganzen Menschen.

Sie fordert Geduld, Anpassung und ein neues Verständnis für Training, Belastung, Umgang mit Schmerzen und Selbstfürsorge.

Die Heilung ist dabei kein linearer Prozess, sondern ein Wechselspiel aus Fortschritt und Rückschritt, aus Vertrauen und Zweifel. Doch genau in diesem Prozess liegt die Chance, stärker zurückzukehren, nicht nur körperlich, sondern auch mental.

Wenn du beginnst, Reha als Training zu begreifen, den Schmerz als Feedback statt als Feind zu sehen und deinen Körper nicht als Hindernis, sondern als Partner:in zu verstehen, veränderst du deine gesamte Laufkarriere.

Denn deine Stärke entsteht nicht allein durch Tempo und Kilometer, sondern durch Beständigkeit und Selbstmitgefühl.

Jede Verletzung ist eine Einladung, dein Fundament neu zu bauen: durchdachter, nachhaltiger, achtsamer. Wenn du diesen Weg gehst, wirst du nicht einfach nur wieder laufen. Du wirst anders laufen.

Come back stronger.

Wenn ich meinen Coachees einen einzigen Rat für den Wiedereinstieg geben dürfte, dann wäre das: Nutze diese Phase als Chance und nicht nur als Bestrafung.

HYBRID TRAINING,
so wie du es willst.

Author: Paula Thomsen

Paula Thomsen ist die Gründerin von Laufvernarrt. Mit ihrer gebündelten Expertise als staatlich anerkannte Physiotherapeutin, Ernährungsberaterin und Personal Trainerin widmet sie sich ganzheitlich und fundiert den Themen rund um Fitness, Ernährung, Training und mentale Gesundheit.