Negatives Körperbild: Warum eine Diät deine Probleme nicht lösen wird und was du stattdessen tun kannst
Viele Menschen kennen das: Der Blick in den Spiegel löst ein wahres Unbehagen aus. Dein Problem in deinen Augen: ganz klar dein Körper, nicht dein negatives Körperbild! Du siehst Röllchen an Stellen, an denen du sie nicht sehen willst. Vielleicht ist dein Hintern nicht so straff, wie du ihn gerne hättest. Die Haut schlägt Dellen. Du bist unzufrieden mit deinem Körper und willst etwas daran ändern. Nicht selten ist ein solcher Moment der Auslöser für das Vorhaben einer neuen Diät und das Ziel, ein paar Kilogramm abzunehmen. Dann bist du endlich glücklicher. Dann fühlst du dich endlich wohler.
Doch die Wahrheit ist: Eine Diät allein wird dein negatives Körperbild nicht verbessern. Selbst wenn du erfolgreich ein paar Kilogramm abnimmst und deinen Körper formst, ist die Chance extrem hoch, dass du dich im Anschluss noch schlechter in deinem Körper fühlst und weiterhin unzufrieden bist.
Warum das so ist und was du stattdessen tun kannst, erfährst du in diesem Artikel.
Was ist das Körperbild überhaupt?
Das Körperbild ist das Bild, das du selbst von deinem Körper hast. Es setzt sich aus vier verschiedenen Bereichen zusammen:
- Kognitiv: Die Glaubenssätze und Überzeugungen, die du über deinen Körper hast
- Bewertend: Wie du über deinen Körper denkst und ihn bewertest
- Emotional: Wie du dich mit deinem Körper fühlst
- Verhalten: Was du tust in Beziehung dazu, wie du aussiehst (z.B. Ernährung, Sport, Styling, Selbstgespräche, etc.)
Das, was du also siehst, wenn du in den Spiegel schaust oder an deinem Körper herunterguckst, ist sehr viel mehr als deine tatsächliche Körperform. In Wahrheit wird dieses negative (oder positive) Körperbild von unglaublich vielen Faktoren in deinem Alltag, deinem Denken, Fühlen und deinen Verhaltensweisen beeinflusst.
Warum ist ein negatives Körperbild problematisch?
Ein negatives Körperbild ist der größte Risikofaktor für die Entwicklung einer Essstörung. Darüber hinaus ist es verbunden mit zahlreichen unangenehmen Begleiterscheinungen und Risiken:
- Depressionen und schlechte Stimmung
- Angst
- Essgestörte Verhaltensweisen
- Soziale Isolation, fehlende Verbindungen, zwischenmenschliche Herausforderungen
- Niedrige Libido
- Suchtverhalten wie z.B. Alkohol, Drogen, Kaufen, etc.
Wenn du also in den Spiegel schaust und das, was du siehst, einfach nicht ertragen kannst, dann ist das ein sehr wichtiges Zeichen, was du unbedingt ernst nehmen solltest. So ein negatives Körperbild lässt sich nicht durch eine Diät behandeln und in ein positives Bild wandeln, sondern es erfordert definitiv etwas Arbeit, um ein positives Körperbild aufzubauen.
Positives vs. negatives Körperbild
Einige Beispiele für ein negatives Körperbild hast du nun schon kennengelernt und wenn du davon betroffen bist, kennst du sicher noch viele weitere Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen, die dein negatives Körperbild ausmachen.
Doch was macht das Gegenteil aus?
Ein positives Körperbild ist:
„eine übergreifende Liebe und Achtung für den Körper, die es den Menschen ermöglicht,
Wood-Barcalow et al.2010
- (a) die einzigartige Schönheit ihres Körpers und die Funktionen, die er für sie erfüllt, zu schätzen;
- (b) ihren Körper zu akzeptieren und sogar zu bewundern, einschließlich der Aspekte, die nicht mit idealisierten Bildern übereinstimmen;
- (c) sich schön, wohl, selbstbewusst und glücklich mit ihrem Körper zu fühlen, was sich oft in einer äußeren Ausstrahlung oder einem „Strahlen“ widerspiegelt;
- (d) die Vorzüge ihres Körpers zu betonen, anstatt sich mit ihren Unvollkommenheiten aufzuhalten; und
- (f) eingehende Informationen auf eine körperschützende Weise zu interpretieren, wobei die meisten positiven Informationen verinnerlicht und die meisten negativen Informationen zurückgewiesen oder umgedeutet werden.“
Es unterscheidet sich also sehr stark von einem negativen Körperbild und ist:
- Sehr facettenreich und viele Bereiche umfassend inklusive:
- Wertschätzung des Körpers
- Flexibilität des Körperbildes
- Funktionalität des Körpers
- Körperakzeptanz/Liebe/Respekt
- Ein umfassendes Konzept von Schönheit
- Anpassungsfähige Investitionen in das Aussehen
- Innere Positivität
- Interpretation von Informationen in einer körperschützenden Weise
Darüber hinaus ist es ganzheitlich zu betrachten und wichtig zu verstehen, dass ein das Körperbild auch gestaltet und beeinflusst wird durch die wahrgenommene Akzeptanz deines Körpers durch andere und durch soziale Identitäten.
Was ein positives Körperbild nicht ist
Wir alle kennen die Instagram Posts, die auf ein positiveres Körperbild abzielen sollen und dir sagen, dass jedes Röllchen an dir perfekt ist und dein Körper wunderschön und attraktiv ist. Dass du freundlich zu dir selbst sein sollst, auf eine ausgewogene Ernährung pfeifen sollst und dich nicht zum Sport „zwingen“ musst.
Doch all das hat nicht sehr viel mit einem echten positiven Körperbild zu tun. Du hast gerade schon gelernt, dass ein positives Körperbild offensichtlich sehr viel mehr als das ist.
Ein positives Körperbild ist NICHT:
- Die alleinige Wertschätzung des eigenen Aussehens oder des Ausmaßes, in dem der eigene Körper mit kulturellen Schönheitsidealen übereinstimmt.
- Narzissmus oder Eitelkeit
- Dasselbe wie sexuelle Attraktivität
- Unterstützt durch häufige körperbezogene „Komplimente“ von anderen
- Anwendung potenziell destruktiver Methoden zur Veränderung des Aussehens, um äußeren Schönheitsnormen zu entsprechen, wobei der Selbstwert auf dem Aussehen beruht, oder Beschäftigung mit Verhaltensweisen, die das Aussehen verbessern
- In Verbindung mit dem Verzicht auf gesunde Bewegung, Ernährung und Selbstfürsorge
- Positiv assoziiert mit Diäten
Negatives Körperbild und Gewicht
Leider muss ich an dieser Stelle auch einen Hinweis und „Disclaimer“ geben. Ja, Übergewicht steht leider auch in Verbindung mit einem negativeren Körperbild.
Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass Abnehmen allein dein Körperbild verbessert (siehe oben: Diäten sind NICHT positiv assoziert mit einem besseren Körperbild) oder dass Menschen in gesellschaftlich akzeptierten Körperformen nicht unter einem negativen Körperbild leiden können.
Wenn du mehrgewichtig bist und unter einem negativen Körperbild leidest, ist es absolut essentiell, beide Bereiche anzugehen und dich nicht nur aufs Abnehmen zu fokussieren. Stattdessen geht es um langfristige Verhaltensweisen, die deine körperliche und mentale Gesundheit unterstützen
Körperbild und Zyklusphasen
Eine weitere Ergänzung, die ich gerne machen möchte und für absolut sinnvoll halte, ist der Hinweis auf den weiblichen Zyklus. Wenn du nicht hormonell verhütest und einen regelmäßigen Zyklus hast, so kann es sein, dass sich deine Zyklusphase auf dein Körperbild auswirkt.
In einer Studie über den weiblichen Zyklus und das Körperbild (Krohmer et al. 2019) wurde genau das untersucht.
16 Frauen mit natürlichem Menstruationszyklus (NC) und 19 Frauen, die hormonell verhüteten (HC), bewerteten ihre körperliche Attraktivität und unterzogen sich einer dreiminütigen Spiegelexposition. Dabei wurden ihre ihre Augenbewegungen zu zwei verschiedenen Zeitpunkten während ihres Zyklus aufgezeichnet (NC: Eisprung vs. späte Lutealphase; HC: Mitte vs. Ende des Zyklus).
Zum Zeitpunkt des Eisprungs fühlten sich die NC-Frauen attraktiver und blickten weniger auf unattraktive Körperteile.
Im Gegensatz dazu fühlten sie sich in der späten Lutealphase weniger attraktiv und fokussierten sich mehr auf unattraktive Körperteile.
Bemerkenswert ist, dass HC-Frauen zu beiden Zeitpunkten ein ausgeglichenes Blickmuster auf attraktive und unattraktive Körperteile zeigten.
Die Phase des Menstruationszyklus steht in Zusammenhang mit der selbst eingeschätzten Attraktivität und der selektiven Aufmerksamkeit der Frauen beim Betrachten des eigenen Körpers. Das zu wissen, kann extrem hilfreich sein, wenn du dich plötzlich im Laufe deines Zyklus unattraktiv und „fett“ fühlst.
Was tun gegen ein negatives Körperbild?
Doch was kannst du tun, wenn du ein negatives Körperbild hast und eine Diät dieses Problem nicht lösen wird?
Die gute Nachricht ist: es gibt zahlreiche Tools und Tricks, die ein positiveres Körperbild unterstützen und sich simpel in deinen Alltag integrieren lassen. Die besten Werkzeuge stelle ich dir jetzt vor.
Fokus auf Funktionalität des Körpers gegen negatives Körperbild
Zu lernen, dich auf die Funktionalität deines Körpers zu fokussieren anstatt (nur) auf dein Äußeres kann zu deiner langfristigen Zufriedenheit beitragen. Dabei steht im Vordergrund, zunächst Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, was dein Körper jeden Tag leistet und dir ermöglicht.
Bei der Funktionalität deines Körpers geht es nicht nur um große sportliche Leistungen wie z.B. eine neue PR beim Gewichtheben oder einen Marathon zu finishen. Vielmehr darfst du beginnen, deinen Fokus auf alltägliche „Kleinigkeiten“ zu lenken, die wir oft gar nicht so bewusst wahrnehmen:
- Innere Prozesse (z. B. Heilung von einer Erkältung, Verdauung)
- Körperliche Fähigkeiten (z. B. Gehen, Dehnen, Laufen)
- Körperliche Sinne und Empfindungen (z. B. Sehen, Freude erleben, Tiere streicheln, Gerüche)
- Kreative Tätigkeiten (z. B. Malen, Singen)
- Kommunikation mit anderen (z. B. über Körpersprache, Blickkontakt)
- Selbstfürsorge (z. B. Schlafen, Duschen)
Dankbarkeit
Wenn du erstmal einige Dinge wahrgenommen hast, kannst du versuchen, dafür die Dankbarkeit zu spüren und diese in deinen Alltag bewusster zu integrieren. Wann immer du etwas Schönes erlebst oder tust, kannst du in dich hineinfühlen und deinem Körper innerlich dafür danken, dass er oder sie dir das ermöglicht.
Grundlegende Selbstfürsorge gegen negatives Körperbild
Wie du deinen eigenen Körper wahrnimmst und ob dein Körperbild positiv oder negativ ist, wird auch davon beeinflusst, wie du dich verhältst und wie du mit dir selbst umgehst. Behandle darum deinen Körper besser und freundlicher im Alltag.
Eine unglaublich wichtige Basis dafür ist die tägliche Selbstfürsorge für deine Grundbedürfnisse:
- Schlaf
- Bewegung und Training
- Regelmäßige und ausgewogene Mahlzeit
- Stressmanagement
Bevor du diese Bereiche nicht bewusst adressierst, kannst du nicht erwarten, dich in deinem Körper massiv wohler zu fühlen.
Körper-Geist-Verbindung unterstützen
Ein weiterer Punkt, der dir helfen wird, deinen Körper mehr zu schätzen und dich von einem negativen Körperbild zu verabschieden, ist die Verbindung zwischen Körper und Geist zu verbessern und zu stärken. Tatsächlich hilft bereits die Achtsamkeit aus Punkt 1 dabei. Doch es gibt noch weitere Techniken und Strategien, die das unterstützen:
- Bodyscan-Meditationen
- Yoga
- Somatische Praktiken
- Achtsamkeits-Praktiken
Für Bodyscan-Meditationen gibt es tolle Anleitungen aus der MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction). Diese kannst du mehrmals wöchentlich oder langfristig sogar täglich machen. Auch kannst du mit deiner Atmung arbeiten. Dabei funktionieren gleichermaßen klassische Atemmeditationen, aber auch bewusste Atemübungen.
Somatische Praktiken sind für viele Menschen noch deutlich unbekannter und fremder. Ein schönes Beispiel für deine erste somatische Praxis für ein besseres Körperbild möchte ich dir hier vorstellen.
- Schließe deine Augen.
- Nimm 3 tiefe Atemzüge.
- Denke nun an einen Körperpart, den du nicht so sehr magst.
- Lege deine Hand darauf.
- Atme Freundlichkeit in deine Hand, wenn du einatmest.
- Sage beim Ausatmen: Danke, dass du Teil meines Körpers bist und mich am Leben hältst.
Solche Praktiken können erstmal ungewohnt sein und vielleicht einen kleinen Widerstand auslösen. Beginne am besten nicht mit dem Teil deines Körpers, mit dem du die schwierigste Beziehung überhaupt hast. Vielleicht kannst du auch erstmal mit einem Bereich starten, der für dich neutral oder sogar positiv ist, um die inneren Widerstände zu reduzieren.
Gut zu wissen: Es gibt einige Dinge, die dieser Körper-Geist-Verbindung schaden. Manche davon kannst du beeinflussen, andere leider weniger. Dazu gehören:
- Diäten
- Chronische Schmerzen/Krankheiten
- Selbst-Objektivierung
- „Body Checking“, also den eigenen Körper kritisch im Spiegel oder in der Kleidung betrachten
- Stress
Setze auf zwischenmenschliche Verbindungen
Verbindungen zu anderen Menschen stärken auch die Verbindung zu dir selbst und können damit auch einem negativen Körperbild entgegenwirken.
Natürlich kommt es dabei auch auf die Qualität und Tiefe der Verbindungen an. Wenn deine sozialen Kontakte sich primär über Diäten, Abnehmen, Körperformen, Aussehen und andere oberflächliche Themen austauschen, kann das natürlich das negative Körperbild noch negativer werden lassen. Insbesondere wenn hier auch viel bewertet wird. In dem Fall ist es sogar egal, ob es sich um positive oder negative Kommentare zu deinem Körper oder den Körper anderer Menschen handelt.
Verändere deinen Social Media Feed
Die Inhalte, die du täglich auf Social Media konsumierst, beeinflussen auch deine Selbstwahrnehmung und dein Verhalten und können dazu beitragen, ob du eher ein negatives oder positives Körperbild hast.
Wenn dein Social Media Feed ausschließlich aus blonden dünnen Fitnessmodels besteht, die die meiste Zeit ihren großen Hintern in die Kamera halten und sich hauptsächlich damit beschäftigen, mit welchen Makros sie die letzten Gramm Körperfett loswerden können, wann ihre nächste Botox-Behandlung ist und dass sie ihren eigenen Körper hassen, dann ist es kein Wunder, dass dich das auch in deinem Körperbild negativ beeinflusst.
Doch zum Glück kannst du daran aktiv arbeiten und deinen Social Media Feed verändern:
- Setze auf Diversität – folge Personen mit unterschiedlichen Körpertypen, Geschlechtern, Ethnien, Themen und Philosophien.
- Schränke Inhalte ein, die sich negativ auf dich auswirken. Gib‘ Instagram jedes Mal dieses Feedback, wenn du einen Beitrag siehst, den du nicht sehen möchtest.
- Schränke Begriffe ein, die dir nicht gut tun und blockiere Personen, die dir schaden.
- Nutze Social Media aktiv und nicht nur passiv. Achte darauf, welche Art von Inhalten du teilst und was deine Intentionen dabei sind.
- Vermeide Inhalte, die sich ausschließlich um Oberflächlichkeiten und Körperformen drehen.
Fazit – Negatives Körperbild: Warum eine Diät deine Probleme nicht lösen wird und was du stattdessen tun kannst
Eine Diät allein reicht im Allgemeinen nicht aus, um ein negatives Körperbild zu überwinden – im Gegenteil: Diäten korrelieren negativ mit deinem Körperbild.
Stattdessen erfordert es eine tiefergehende Arbeit an der eigenen Selbstwahrnehmung und eine bewusste Veränderung der inneren Einstellung zum eigenen Körper.
Ein positives Körperbild entsteht durch die Wertschätzung der Funktionalität des Körpers, Dankbarkeit, Selbstfürsorge und die Stärkung der Körper-Geist-Verbindung. Soziale Interaktionen und der gezielte Umgang mit Social Media spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle.