
Mentale Regeneration im Lauftraining: 5 Tipps für deinen Alltag

“Veränderung passiert nicht, wenn man in der Komfortzone bleibt!” – Diesen Satz hört man so oft, dass er fast wie ein ungeschriebenes Gesetz klingt. Doch was, wenn genau das Gegenteil der Weg zu langfristiger mentaler und physischer Gesundheit ist?
Die Antwort darauf ist so simpel wie genial: Regeneration – und zwar nicht nur für den Körper, sondern auch für die Psyche. Hingegen aller Einwände passiert die Veränderung auch dort, wo wir zur Ruhe kommen. Und zwar mental. In unserer Komfortzone. Und die darf auch auf der Couch sein.
Warum Pausen genauso wichtig sind wie Lauftraining selbst und wie mentale Regeneration für deine Bedürfnisse funktionieren kann, erklärt Gastautorin Nele von Runnerfeelings dir in diesem Beitrag.
Inhalt:
Was bedeutet „mentale Regeneration“?
Mentale Regeneration bedeutet die bewusste Erholung für den Geist. Das bedeutet, dem ständigen Drang nach Produktivität und Leistung eine Pause zu geben. Vor allem für uns Läufer:innen, die oft ambitionierte Ziele verfolgen, wird die mentale Regeneration häufig übersehen. Was wir vor allem machen, ist die physische Erholung. Dazu gehören bewusste Laufpausen, alternatives Training, vielleicht sogar Eisbaden oder Infrarot-Therapien. Unser Körper erholt sich währenddessen mehr oder weniger hervorragend.
Und unser Kopf? Der ist bei all der „aktiven Regeneration“ meistens beschäftigt. Vielleicht sind wir sogar mit den Gedanken bereits bei der nächsten Laufeinheit.
Doch die Wahrheit ist: Ohne Erholung verlieren wir früher oder später nicht nur den Spaß am Laufen, sondern riskieren auch Verletzungen, mentale Erschöpfung oder gar Burnout. Unser Geist braucht genauso viel Pflege wie unser Körper.
Der Mythos der Komfortzone – Freund oder Feind der Regeneration?
Doch stattdessen dominiert die Vorstellung, dass Fortschritt nur außerhalb der Komfortzone stattfindet. Ich frage mich: Muss man wirklich immer „die Komfortzone verlassen“, um besser zu werden? Meine Antwort: Nein.
Der Glaube, dass man ständig „härter, schneller, weiter“ trainieren muss, ist tief in unserer Gesellschaft verankert. Dabei wird oft vergessen, dass Fortschritt nicht nur durch Disziplin und Ausdauer entsteht, sondern auch durch Pausen und Reflexion. Letzteres benötigt unseren Kopf.
Die Komfortzone zu verlassen ist wichtig und richtig – aber nicht permanent. Zu viel Druck kann genau das Gegenteil bewirken: Verletzungen, Demotivation und emotionale Überforderung. „Balance is key“ – und hinter dieser oft viel zu inflationär verwendeten Floskel steckt mehr, als man auf den ersten Blick zu sehen vermag. Doch dazu später mehr.
Jonas Deichmann, Extremsportler, hat dieses Jahr auf der ISPO folgenden Satz geäußert: „Mentale Stärke entwickelt man nicht auf der Couch, sondern draußen, wenn man unterwegs ist und sich Herausforderungen annimmt.“ Doch für die meisten Menschen, die nicht das Extreme suchen, beginnt die mentale Stärke vielleicht ganz woanders – durch Reflexion, Selbstachtung und das bewusste Einhalten von Pausen. Extremsportler:innen wie Jonas operieren auf einem anderen Level, was differenzierte Kommunikation erfordert, um Missverständnisse zu vermeiden – in Zeiten von Social Media ist es uns kaum möglich, das Ganze objektiv zu betrachten.
Doch was hat das Ganze nun mit mentaler Regeneration zu tun?
Balance zwischen Lauftraining und mentaler Regeneration finden
Wie gesagt, Balance ist also key – und Balance bedeutet nicht, dass wir beim Laufen ein Muster der Schwarz-Weiß-Denke befolgen. Das heißt, dass die Lösung nicht zwischen den Extremen selbst liegt. Auf ein hartes Lauftraining muss also nicht eine Laufpause folgen, bei der wir die Füße komplett stillhalten. Wir dürfen uns physisch bewegen, sollten dem Psychischen jedoch mehr Bedeutung schenken, als wir es normalerweise tun.
Balance bedeutet in diesem Fall:
- Bewusste Herausforderungen: Setze dir realistische Ziele, die dich fordern, aber nicht überfordern. Plane intensive Einheiten gezielt, damit sie Fortschritte bringen, ohne dich auszubrennen. Am Ende sollst du die Entscheidungen bewusst treffen.
- Geplante Erholung: Setze Regenerationstage genauso fest ein wie deine Trainingstage. Merke dir: Sie sind KEINE Ausrede, sondern genauso wichtig.
- Emotionale Achtsamkeit: Sei ehrlich zu dir selbst, wenn du merkst, dass der Druck zu hoch wird. Du musst nicht jedes intensive Lauftraining auf Teufel komm raus umsetzen. Sei aufmerksam für dich selbst.
Von der Theorie zur Praxis: Mentale Regeneration umsetzen
In der Theorie funktionieren diese Dinge wunderbar – auch schreiben lässt es sich relativ einfach. Die Praxis ist jedoch ein anderes Pflaster. Nicht jeder dieser Tipps funktioniert für alle gleich gut und das ist absolut in Ordnung. Ich könnte an dieser Stelle mit Journaling oder Atemübungen anfangen … Das lassen wir jedoch. Stattdessen gebe ich dir 5 Tipps für mentale Regeneration an die Hand, die ich selbst umsetze und die mir helfen. Journaling hat das leider (noch) nicht geschafft.
1. Selbstreflexion nach dem Lauf
Der erste Schritt beginnt bereits gleich nach dem Laufen. Statt einfach die Laufschuhe auszuziehen, sich zu dehnen oder duschen zu gehen, reflektiere deinen Lauf: Wie fühlst du dich wirklich? Was lief gut? Welches Gefühl möchtest du mitnehmen? Welches Gefühl hast du vermisst? Diese Gedankengänge sorgen auch psychisch für einen finalen Abschluss deines Laufes und dein Kopf darf entspannen.
2. Laufpausen aktiv gestalten
Nutze Pausentage bewusst für andere Aktivitäten wie ausgiebige Spaziergänge, Lesen, Netflix oder kreatives Schreiben. So gibst du deinem Kopf Abwechslung und Erholung. Kein Alternativtraining, kein Gedanke an sportliche Aktivitäten. Und erst recht kein schlechtes Gewissen, weil heute kein Training ansteht.
3. Digital Detox
Ja – die Finger von den sozialen Medien zu lassen ist leichter geschrieben als getan. Fokussieren wir uns auf das Tracking- und die Lauf-Apps. Lege an manchen Tagen bewusst eine Pause von Apps wie Strava ein. Ohne Vergleichsdruck kannst du deine eigenen Fortschritte besser schätzen und bist mit dem Kopf nicht bei den Laufdistanzen und Paces der hundert anderen Läufer:innen.
4. Routineaufgaben
Routinen helfen uns, mental zu entspannen. Aufräumen, Kochen, Wäsche aufhängen – all das funktioniert fast von alleine. Nutze deine Alltagsroutinen, um deine Gedanken loszulassen. Übrigens: Rund 66 Tage dauert es, bis Aufgaben zur Routine werden (Quelle). Am besten greifst du auf Altbewährtes zurück.
5. Entspannungstechniken und Regenerationsrituale
Akupressurmatten, Einschlaf-Podcasts, Stretching … Diese Dinge vereinen für mich den Aspekt der körperlichen Regeneration (wie Stretching und Akupressur) mit Techniken zur Förderung von Ruhe (wie Podcasts). Eine 10- bis 20-minütige Session auf einer Akkupressurmatte kann helfen, innere Verspannungen zu lösen.
Übrigens: Auch wenn wir sagen “Laufen macht den Kopf frei”, ist Laufen meiner Ansicht nach keine mentale Regeneration. Das Bedürfnis, unsere Gedanken sortieren zu müssen bedeutet nicht, sie durch etwas anderes auszubremsen. Sortieren bedeutet: innehalten. Hinsetzen. Atmen. Auf eine gewisse Art entschleunigen. Körper und Psyche sind sehr eng miteinander verbunden. Und wenn deine Psyche nicht ruht – wie soll ein aktiver Körper im Laufmodus für allgemeine Ruhe sorgen? Eben.
Drei Vorteile mentaler Regeneration
Auch wenn du nur ein bis zwei der oben genannten Tipps umsetzen magst, wirst du nach ein paar Wochen positive Veränderungen bemerken. Denn mentale Regeneration wirkt sich auf deine gesamte Lebensweise aus. Wenn du deinem Kopf Pausen schenkst, profitierst du auch physisch:
1. Verbesserte körperliche Regeneration
Dein Geist steuert den Körper – und wenn er müde ist, kann er die Heilung und Regeneration deines Körpers beeinträchtigen. Vice Versa. Mentale Pausen sorgen dafür, dass der Körper effizienter regeneriert.
2. Bessere Stressbewältigung
Ein ausgeruhter Kopf ist widerstandsfähiger gegen Stress. Nicht resilient, wohlgemerkt. Das hilft dir nicht nur beim Laufen, sondern auch im Umgang mit Alltagsbelastungen.
3. Mehr Freude am Training
Ohne ständigen Leistungsdruck kannst du dich auf das Laufen konzentrieren, weil du es liebst, und nicht, weil du es musst. Das steigert deine langfristige Motivation, versprochen.
Mentale Regeneration als freundlicher Gegenspieler zum Laufen – ja, wirklich!
Das Lauftraining besteht nicht nur aus Laufen, sondern ist eine Symbiose aus Erholung, mentaler Regeneration und Entspannung. Ja, du darfst und solltest sogar in deiner Komfortzone bleiben. Oft geschieht genau hier eine wichtige Veränderung: Nicht dann, wenn du dich ständig überforderst, sondern dann, wenn du lernst, dir Pausen zu gönnen und dich bewusst („mental“) zu erholen.
Pausen bedeuten nicht, dass du weniger ambitioniert bist oder gewisse Ziele aus den Augen verlierst. Im Gegenteil: Sie sind ein Versprechen an dich selbst, langfristig Motivation, Spaß und Gesundheit in dein Lauftraining zu bringen. Denk daran: Dein Körper und dein Kopf arbeiten Hand in Hand – wenn einer von beiden nicht regeneriert, wird es früher oder später der andere spüren – und davon kann ich mehrere Lieder singen.
Ich bin mir sicher, dass du es selbst bereits erlebt hast, wie schnell der Performance-Druck von außen (oder auch der von dir selbst?) dich davon überzeugen kann, dass du immer „mehr“ machen musst. Mehr Kilometer, mehr Trainingseinheiten, mehr Leistung.Doch anstatt dich dieser Herausforderung zu stellen, versuche es mal mit dieser hier: Nicht mehr zu tun, sondern auch mal bewusst weniger zu tun.
Natürlich ist es nicht einfach – aber genau deshalb ist es ja auch eine “Herausforderung” …
Mein persönlicher Herzenstipp: Lerne, auf dich zu hören, ohne ständig auf die Stimmen von außen zu achten. Denn am Ende läufst du nicht für andere. Du läufst für dich. Also regeneriere auch für dich. Und das bedeutet auch, dir die Erlaubnis zu geben, mal die Beine hochzulegen und einfach nur zu sein. Denn genau in diesen Momenten entsteht die mentale Basis für vieles, was du erreichen möchtest.
Über die Autorin:
Dieser Artikel wurde von Nele Dörk vom Runnerfeelings Blog geschrieben. Sich selbst beschreibt Nele so:
„Ich bin Nele, 32 Jahre jung und leidenschaftliche Läuferin.
RUNNERFEELINGS.com ist dein und mein digitales Lauferlebnis, randgefüllt mit Motivationstipps, persönlichen Laufgedanken, individuellen Trainingsplänen und Geschichten von Erfolgen und Niederlagen, die das Läufer:innen-Leben mit sich bringt. Hautnah. Authentisch. Ehrlich. Echte runnerfeelings für den echten Laufblog eben.
Von schwierigen Anfängen, langen Laufpausen (ich werde nie wieder laufen können), blöden Verletzungen, über den ersten Halbmarathon und mentalen Schwierigkeiten, bis hin zu neuen Bestzeit nach monatelangen Trainingseinheiten – all das und noch mehr erzähle ich ungefiltert und absolut ehrlich auf RUNNERFEELINGS.“